Intellektuelle suchten und suchen auf die politischen Verhältnisse ihrer Zeit gestaltend einzuwirken. Bei dem Unterfangen der sittlichen Korrektur der Herrschenden und der Beeinflussung politischer Entscheidungen müssen diese Denkerinnen und Denker einerseits das Risiko der Korruption beziehungsweise Vereinnahmung durch die Herrschenden und andererseits die Gefahr der Ablehnung, Verbannung und Hinrichtung überwinden. Aus der klassischen Antike ist vor allem Platons gescheiterter Versuch in Erinnerung, Dionysios II., den Tyrannen von Syrakus, zu einem Philosophenkönig zu bekehren. Gleichzeitig zu Platon versuchte der Rhetoriklehrer Isokrates (436-338 v. Chr.) auf die zeitgenössische Politik Einfluss zu nehmen. Hierzu schrieb er Briefe an griechische Alleinherrscher, von denen uns neun erhalten sind. Die Arbeit bietet neben einer Übersetzung und einem einleitenden Kommentar zu den neun Briefen interpretierende Essays, die die Texte in ihren literarischen und historischen Kontext einordnen. Isokrates, so die These der Arbeit, machte den zuvor für kommerzielle Zwecke gebrauchten Brief zu einer literarischen Gattung. In einer bereits in seinen Reden angewandten Kunstprosa forderte Isokrates seine Adressaten zu einem auch begrifflich von einer “Tyrannis” abzugrenzenden aufgeklärten Despotismus sowie zu einer panhellenischen Außenpolitik auf. Die Arbeit konnte dabei zeigen, dass sein Versuch einer politischen Beratung auf Distanz gegenüber der höfischen Beratung nur geringe Erfolgschancen besaß. Nachhaltiger war die briefliche Empfehlung seiner Schüler und Vertrauten als Experten und Berater an die zeitgenössischen Herrscherhöfe, die zur Etablierung von Isokrates’ interpersonalem mediterranem Netzwerk beitrug.