Stromgestehungskosten von Erneuerbaren sind kein guter Indikator für zukünftige Stromkosten

Die Stromgestehungskosten Erneuerbarer Energien sinken. Kann man daraus schließen, dass deswegen auch automatisch die Stromkosten sinken? Das nämlich wird zurzeit häufig in wirtschaftspolitischen Debatten suggeriert. Nein, sagen die UTN-Professorin Veronika Grimm und ihre beiden Ko-Autoren Leon Oechsle und Gregor Zöttl von der FAU Erlangen-Nürnberg.

Am 10. April veröffentlichte die Forschergruppe einen Policy Brief, in dem sie aufzeigt, dass die Stromgestehungskosten (genannt LCOE-Levelized Cost of Electricity) von Erneuerbaren keine belastbare Grundlage für die Einschätzung der zukünftigen Stromkosten darstellen. Vergleicht man die Produktion der Wind- oder Solaranlagen, die Grundlage einer LCOE-Berechnung ist, nämlich mit der Stromnachfrage, so ergeben sich in vielen Stunden des Jahres Versorgungslücken, die durch komplementäre Technologien geschlossen werden müssen. Dazu werden zum Beispiel Batteriespeicher oder Gaskraftwerke, künftig ggf. auch Wasserstofftechnologie herangezogen. Und deren Investitionskosten müssen ebenfalls in die Rechnung eingehen, wenn man zu einer realistischen Kosteneinschätzung gelangen will. Berücksichtigt man dies, deutet es eben doch nicht darauf hin, dass die Stromkosten im kommenden Jahrzehnt deutlich sinken werden.

In ihrem Beitrag stellen die Forschenden Berechnungen für zwei verschiedene Zeiträume an: 2021 und 2040. Sie berechnen Szenarien jeweils exemplarisch für die über die Zeit konstante Nachfrage etwa eines industriellen Großabnehmers, als auch für die typische Stromnachfrage einer Region oder eines Landes.

Als Fazit zeigt sich, dass in allen dargestellten Szenarien die Kosten deutlich oberhalb der typischerweise diskutierten LCOE Erneuerbarer Energien liegen und die Diskrepanz zwischen LCOE und den durchschnittlichen Stromkosten in Zukunft größer werden dürfte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die üblichen LCOE-Berechnungen die Kosten nicht berücksichtigen, die komplementär zu den erneuerbaren Energien aufgebracht werden müssen. Denn unabhängig von dem realisierten Zubau an Erneuerbaren muss stets Kapazität vorgehalten werden, um die Nachfrage zu befriedigen, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Die Berechnungen machen deutlich, dass auch abseits des Ausbaus der Erneuerbaren umfangreiche und auch kostspieliger Handlungsbedarf existiert, der nicht in den Hintergrund treten darf, wenn man die Klimaziele erreichen will.

„Die Analyse der Stromkosten lässt zwar keinen direkten Rückschluss auf die Preise zu. Klar ist aber: irgendjemand muss die Kosten tragen. Entweder die Verbraucher über die Strompreise oder die heutigen beziehungsweise zukünftigen Steuerzahler, wenn Teile aus dem Staatshaushalt finanziert werden. Zum Beispiel, wenn man einen großen Teil der notwendigen Gas- und Wasserstoffkraftwerke staatlich fördert oder sie außerhalb des Marktes betreibt“, erläutert Veronika Grimm „Wir haben mit dem Policy Brief versucht, die Zusammenhänge sehr nachvollziehbar zu machen und dafür vereinfacht. Unsere Hoffnung ist es, so die Diskussion über diese wichtigen Aspekte anzustoßen und die Debatte zu versachlichen.“

Der gesamte Policy Brief steht auf der Website der UTN zum Download bereit:

https://www.utn.de/files/2024/04/Grimm-Policy-Brief-CD-FINAL.pdf

Die Autoren sind zu erreichen unter:

Kontakt UTN

Prof. Dr. Veronika Grimm
Energy Systems and Market Design Lab
Ulmenstraße 52i
90443 Nürnberg
E-Mail: veronika.grimm@utn.de

https://www.utn.de/departments/department-liberal-arts-and-sciences/energy-systems-and-market-design-lab/

Kontakt FAU

Prof. Dr. Gregor Zöttl
Professur für Industrieökonomik und Energiemärkte
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Lange Gasse 20
90403 Nürnberg
E-Mail: gregor.zoettl@fau.de

https://www.energiewirtschaft.rw.fau.de